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Nostalgie: Straßenbahnen der 60er Jahre

Fahrschein Straßenbahn

Eine Fahrkarte für eine Fahrt "in sinngemäß vorwärtsstrebender Richtung".

In den Sechziger-Jahren gab es in Wien noch keine U-Bahn. Dafür waren viel mehr Straßenbahnlinien als heute kreuz und quer durch Wien im Einsatz. Eine nostalgische Zeitreise mit Anekdoten über sogenannte "Trittbrettfahrer", schaffnerloses Fahren und den langgedienten "Amerikaner".
Speziell der zweite Bezirk wurde von sehr vielen Straßenbahnlinien durchfahren. Allein in der Taborstraße fuhren einige Rund- und Radiallinien (Liniensignal waren Zahlen z.B. Linie 16, 24 oder 26) sowie Durchgangslinien (Liniensignal waren Buchstaben z.B. A, B oder O). Sowohl die Triebwagen als auch die Beiwagen fuhren mit offenen Türen auf der rechten Seite. Während der Stoßzeiten waren die Wagen immer total überfüllt und nicht selten standen die Fahrgäste auch auf den Trittbrettern der Wagen, manchmal hingen sie sogar mehr an den Haltestangen als sie auf den Trittbrettern standen. In engen Kurven mussten die Fahrer die Geschwindigkeit des Zuges stark herunterbremsen um nicht aus den Schienen gehoben zu werden. Das war natürlich ideal um entweder auf die Straßenbahn auf- oder abzuspringen. Dadurch war man nicht nur näher an seinem Zielort, man ersparte sich zumeist auch das Lösen eines Fahrscheines. Der Schaffner durchwanderte zwar immer wieder den Wagen von vorne nach hinten und retour, doch wenn der Wagen überfüllt war, hatte der Schaffner oder die Schaffnerin keine Chance durchzukommen. Und wenn man schon außerhalb des Wagens an der Einstieg-Stange hing oder am Trittbrett mitfuhr, hatten die Zugbegleiter sowieso keinen Auftrag. Das Auf- und Abspringen war zwar ein gefährlicher, aber ebenso beliebter Sport. Die Profis kannten schon die Stellen, die sich besonders gut zum Auf- und Abspringen eigneten.
Straßenbahnbau

Eine neue Garnitur wird für den Dienst bereitgestellt.

Es gab allerdings auch einige Linien auf denen geschlossene Wagen verkehrten. So eine Linie war zum Beispiel der „11er“, auf dem so genannte „Amerikaner“ verkehrten. Diese Amerikaner waren in New York bis zum Jahr 1948 eingesetzt. Die ausgemusterten Garnituren  wurden von den Wiener Verkehrsbetrieben nach dem Krieg gekauft, per Schiff nach Rotterdam und dann per Eisenbahn nach Österreich gebracht. In Wien wurden sie umgerüstet und als reine Triebwagenzüge (das Anhängen eines Beiwagens war nicht möglich) eingesetzt. Für damalige österreichische Verhältnisse waren die „Amerikaner“ ultramodern: selbstschließende Türen, in Fahrtrichtung umstellbare Sitzbänke und vieles mehr, dass die österreichischen Fahrgäste nur aus Zeitungen kannten. Aber auch die österreichischen Ingenieure der Bombardier-Rotax-Werke, die für die Wiener Verkehrsbetriebe die Straßenbahnen bauten, entwickelten bald neue Garnituren mit elektrisch bedienbaren Türen und wesentlich mehr Fahrkomfort für Fahrer und Fahrgäste.  Spätestens da war die Zeit des Auf- und Abspringens endgültig vorbei. Kurz darauf begann in Wien eine neue Ära: die Ära der schaffnerlosen Beiwägen und kurze Zeit später auch der schaffnerlosen Triebwägen.
Leute steigen in Straßenbahn ein

Die Wienerinnen und Wiener drängen sich in die Straßenbahn. Teilweise erlebten sie während der Fahrt allerhand Kurioses.

Wer täglich in Wien mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, erlebt im Laufe der Zeit so einiges. Auf der alten Stadtbahn zum Beispiel erlebten die Fahrgäste einmal wie der Fahrer eines Zuges der Linie WD seinem Zugbegleiter einfach davonfuhr und dieser hinter der Stadtbahngarnitur nachrennen musste. In der nächsten Station wunderte sich der Fahrer wo denn sein Zugbegleiter geblieben war. Bis zum Eintreffen des Zugbegleiters mit dem nächsten Zug mussten sich die Fahrgäste in Geduld üben. Ein anderes Mal wurden die Fahrgäste Zeugen einer Polizeiaktion. Polizisten in Zivil überwältigten mitten in einem Zug der Linie J einen offensichtlich Kriminellen indem sich zwei Beamte im Zug auf den Mann warfen und ihn am Boden fixierten. Der Aufenthalt in der nächsten Station dauerte etwa 20 Minuten. Drei Streifenwagen, damals waren das das noch grün lackierte VW-Käfer, kamen mit Blaulicht angefahren und auf einmal glaubten sich die Fahrgäste live in einem Kriminalfilm. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Verhafteten um einen aus dem „Landl“ (Landesgericht für Strafsachen) geflohenen Untersuchungsgefangenen gehandelt hatte. Heute hätten die verfolgenden Polizisten mit einem Handy Verstärkung herbeirufen können, damals gab es noch keine Handys, auch die Verkehrsbetriebe hatten noch keinen Betriebsfunk, die Alarmierung erfolgte in dem ein Passant zum nächsten öffentlichen Fernsprecher geschickt wurde und dort den Polizeinotruf wählte.
Kurzstrecken-Plan

Der Streckenplan der Linie AK: Von der Stadlauer Brücke über Praterstern, Schottentor, Kärntner Straße und zurück.

Im Jahr 1969 wurde in Wien mit dem Bau der U-Bahn begonnen. Auch der zweite Bezirk war vom U-Bahnbau stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Praterstraße und die ganze Gegend rund um den Praterstern war jahrelang eine Baustelle. 1982 konnte das U-Bahn-Grundnetz endlich fertig gestellt werden.
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