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Cyborg

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Cyborg mit Antenne im Kopf: Neil Harbisson

 
Cyborg

VIDEO: Neil Harbisson im Ted Talk "I can listen to color"

Der Künstler Neil Harbisson ist ein staatlich anerkannter Cyborg. Er ließ sich eine Antenne in den Schädel einpflanzen. Wer sich fragt, was das soll – hier gibt es die Antworten.

„Früher habe ich meinen Kleidungsstil so gewählt, um gut auszusehen. Heute ziehe ich mich so an, damit ich mich gut anhöre.“ Der Künstler Neil Harbisson ist wohl einer der wenigen Menschen, die einer solchen Logik folgen. Doch Harbisson ist in seinem ganzen Tun anders als die meisten. Der 33-Jährige ist der erste staatlich anerkannte Cyborg. Der Vorstellung, die uns jetzt allen durch den Kopf geistert, kommt er durch eine 2003 durchgeführte Operation ziemlich nahe.

Damals ließ er sich in Spanien ein kybernetisches Implantat einsetzen: einen Chip, der mit einer Antenne verbunden ist, die wiederum Farben als Ton aufnimmt und so das Lichtspektrum in den hörbaren Schallbereich transportiert. Harbisson ist komplett farbenblind, bis zur Operation war die Welt für ihn in Grauschattierungen gehalten, ehe er sich zu dem gewagten Schritt entschloss. Nicht, um die neueste Technik um jeden Preis in seinen Körper zu integrieren und so nach und nach mehr Maschine als Mensch zu sein, sondern um – aus seiner Sicht – der Natur sogar einen Schritt näher zu kommen. „Ein Cyborg zu sein ist das Gefühl, dass Technik ein Teil meines Organismus ist“, sagt Harbisson. Sein Gehirn brauchte fünf Monate, um die neuen Impulse richtig zuordnen zu können. „Ich musste dann über drei Jahre lernen und meinen Farbsinn regelrecht ausbilden“, so Harbisson.

Cyborg

Dank Antenne wird das gesamte Farbenspektrum hörbar. © TED

Anleihen nimmt er dabei bei Tieren. Katzen starren oft stundenlang auf Wände, weil sie wohl Infrarotspuren folgen, Haie nehmen elektromagnetische Felder wahr, Bienen lassen manche Blumen aus und widmen sich anderen Pflanzen umso intensiver, weil die ultraviolette Strahlung einen besseren „Ton“ erzeugt. Ähnlich geht es Harbisson. Auch er kann mit seiner Antenne infrarotes und ultraviolettes Licht wahrnehmen und verarbeiten. Banal ausgedrückt kann er sich auch mit dem Internet verbinden und beispielsweise ihm gesendete Bilder empfangen, die für ihn in Töne umgewandelt werden. „Ich kann mich sogar mit der internationalen Raumstation verbinden. Dann kann ich die Farben des Weltraums fühlen.“ Lauscht man seinen Erzählungen, schwingt stets ein Stück Science-Fiction-Feeling mit, obwohl es sich um die Realität einer bereits stattfindenden Zukunft handelt. Doch wohin führt das und – gelinde gefragt – was soll das? Für den Begründer der Cyborg Foundation steht dabei die Symbiose zwischen Körper und Technologie im Mittelpunkt: „Es ist eine Erweiterung der Sinne. Es ergeben sich daraus keine zusätzliche Intelligenz, zusätzliches Wissen oder Fähigkeiten. Es hängt von jedem Einzelnen ab, ob er neue Sinne so einsetzt, dass daraus neues Wissen entsteht.“ Ein Cyborg ist nicht als willenloses Wesen, sondern als Mensch mit Erweiterung zu verstehen.

Harbisson Cyborg

Cyborgartist Neil Harbisson trifft Mode-Ikone Iris Apfel. © Moon Ribas

Der Begriff des Techno sapiens nimmt konkrete Formen an. Körperliche Defekte, die lange als irreparabel galten, können mit dem Einsatz von Technik längst kompensiert werden. Prothesen können sich dabei immer komplexeren Aufgaben stellen. Blickt man in die Wissenschaft, sind dort Supercomputer – gepaart mit dem menschlichen Erfindergeist – dafür verantwortlich, dass künstliche Intelligenz immer intelligenter wird und Smart Home keine Zukunftsmusik mehr ist. Die Vorstufe auf dem Weg zur implantierten Technik hat die Menschheit für Harbisson (und nicht nur für ihn) bereits erreicht und manifestiert sich in Smart Watches und Co, die sich immer mehr zu täglichen Begleitern entwickeln. Irgendwann, so Harbisson, wird es eben so sein, dass der Mensch die Technik direkt aufnimmt. „Wenn Sie etwa einen kleinen Infrarot-Sensor auf der Rückseite ihres Kopfes befestigen, dann können Sie fühlen, was hinter Ihnen passiert. Das ermöglicht eine völlig neue Erfahrung des Raumes“, so eines seiner Beispiele. Dass bei all diesen Faktoren dennoch der Mensch die Hauptrolle spielen wird, verdeutlicht Harbisson selbst. Auf die Frage, ob er einen der Töne, den seine Antenne aufzeichnet, singen könne, bekannte er: „Nein, ich bin ein ganz schlechter Sänger.“

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